ANATOMICA – Elisabetta Bovina und Carlo Pastore
Eröffnung 09. Mai 2019 ab 18 Uhr | Ausstellung 10. Mai bis 16. Juni
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das vielschichtige Werk von Studio Elica. Ein Künstlerkollektiv aus Bologna mit Elisabetta Bovina und Carlo Pastore. In einer Art Wunderkammer zwischen Ausstellung und Pop-Up Shop präsentierten wir die Bandbreite ihres Schaffens. Durch das immer wiederkehrende Thema der Anatomie wird dabei auch der konzeptuelle und künstlerische Ansatz ihrer Arbeiten deutlich. Die Künstler beschäftigen sich mit der Vielschichtigkeit des Körpers und binden immer wieder soziale und gesellschaftliche Themen mit ein: Geschichte, der Umgang mit dem Körper und Sexualität spielen dabei eine große Rolle. Gleichzeitig thematisiert die Ausstellung auch das Material mit Nähe zum Kunsthandwerk: Keramik. Damit reihen Pastore und Bovina sich in die Linie einer noch sehr lebendigen alten Tradition in Italien ein. Ihre künstlerischen Arbeiten reichen von Kreationen obskurer Objekte und Kleinserien, über die Gestaltung von Möbeln, Schmuck, Stoffen und keramischen Szenografien. Die Zeichnungen an der Wand sind inspiriert durch anatomische Studien über die Gestalt und die Lage von Muskeln oder Organen aus dem 16. Jahrhundert. Sie zeigen Sektionen des Körpers, wobei die Nummerierungen für einzelne Körperteile stehen. Anatomie nach heutigem Verständnis wurde 300 vor Christus in Ägypten und Griechenland entwickelt. Während sich im römischen Reich das Sezierverbot von Menschen bis ins 14. Jahrhundert hindurchzog, blieb dieses Wissen um das Körperinnere im arabischen Raum erhalten. Im Abendland hingegen wurden Straftäter, enthauptete oder Selbstmörder seziert. Im Mittelalter war das Sezieren zwar nicht verboten, aber es wurde streng kontrolliert und war im Vergleich zur Körperdarstellung marginal. Vor dem 15. Jahrhundert gab es überdies keine Darstellungskonventionen, um einen Toten von einem lebendigen Menschen zu unterscheiden, sofern keine Zeichen für einen gewaltsamen Tod oder körperlichen Zerfall vorlagen. Erst im 16. Jahrhundert wurde die Anatomie zum seriösen Forschungsgegenstand, deren Neubegründer Andreas Vesalius das bedeutende Tafelwerk ‚De fabrica humani corporis‘ mit teilweise drastischen Posen hinterließ.
Die anatomischen Herzen an der Wand sind mit Phrasen, Bildern und Textelementen künstlerisch gestaltetet sie zieren die einzigartigen Kompositionen und greifen aus dem 16. Jahrhundert z.B. auf Zitate von Dante Alighieri, William Shakespeare oder bekannte Gestaltungsmittel aus Kunst und Kultur zurück. Die abgetrennten Körperteile an der linken Wand erinnern an rituelle Opfergaben. Sie sind eingebunden in einem System aus Shibari-Knoten (eine erotische Kunst des Fesselns). Die überdimensionalen Hände wiederum spielen mit Formen, Strukturen und Mustern. So entdecken wir Bilder die an heutige bildgebende Verfahren der Medizin erinnern und Elementen aus dem Pflanzenreich wie z.B. die Dornen einer Rose. Jedes Objekt erzählt dabei seine eigene Geschichte und spielt mit der Gestaltungskraft unserer Wahrnehmung.
Die Serie Ceci n'est pas un Phallus im Schaufenster hingegen ist eine Installation die sich auf ein Objekt konzentriert, das im Laufe der Jahrhunderte unterschiedliche Konnotationen und Namen erhalten hat. Berichte über die Herstellung stammen aus prähistorischer Zeit und waren bereits in Babylonien, Ägypten und Griechenland Teil eines erotischen Kostüms. Auch in Ostasien, den Philippinen, Indien und Sansibar gibt es ikonographische und literarische Überlieferungen wie Olisboi, Ganem, Mandingo, Larrio oder der japanische Harikata aus Horn und Schildkröte. In Europa ist die godemiché (ein Begriff, der sich aus dem lateinischen gaude mihi "enjoy for me" ableiten würde). Seit der Antike bekannt, aus Glas oder Keramik und gefüllt mit heißem Wasser, wurden sie in Italien Zeitvertreib oder Vergnügen genannt. Als Reiseartikel, Bijoux de religieuse, Dilin, hommes de voyage, Markin, Witwentröster, Dildoes o rinotama, war dieses „Werkzeug“, wie Pastore & Bovina es ausdrücken, schon immer Teil des weiblichen „Bausatzes" oder manchmal des männlichen. Diese Neuauflage von godemiché, aus Porzellan, nimmt somit verschiedene stilistische Konnotationen an, um das Vergnügen zu erfüllen und vielleicht auch visuell zu stimulieren.
Die beiden Künstler leben und arbeiten zwischen Faenza und Bologna. Pastore und Bovina betreiben seit 2009 in Bologna den einzigartigen Cretepièce, einen Ausstellungsraum und eine Keramikwerkstatt, die den angewandten Künsten gewidmet ist. In der Ausstellung präsentieren wir verschiedene Serien und Arbeiten der Künstler*innen. Für die Gemeinde Faenza schufen sie einen keramisch-botanischen Garten für die Genfer Floralies. Sie arbeiten mit der Choreografin Monica Casadei und ihrer Firma Artemis Danza zusammen, um Keramikkleider zu kreieren. Dabei kreieren und entwerfen Pastore und Bovina ihre eigenen Kollektionen, als Studio Elica und arbeiten für Marken wie Visionnaire, Fos Ceramiche, Arcolaio und Floor Gres.
Ihre Werke werden kontinuierlich ausgestellt von Salone del Mobile in Mailand und bei Maison & Objet in Paris und werden nun auch im super+Centercourt München präsentiert.
Die Ausstellung wird kuratiert von Sara Manfredi und Sophie-Charlotte Bombeck
Gefördert durch
super+ e.V.
Studio Elica
Istituto Italiano di Cultura di Monaco di Baviera